In letzter Zeit hatte ich mit (Sport-) Freunden immer wieder das Thema, warum es gefühlt gerade körperlich bergab mit uns geht. Die einen klagen über ihre kleine Wampe, die einfach nicht mehr weggehen will. Die anderen darüber, dass ständig irgendwas weh tut. Und generell, dass es nicht mehr so einfach ist, in Form zu kommen. Schuld dafür ist unser Alter.
Wir sind halt keine 20 mehr…
Intuitiv kommt uns dieser Satz des Öfteren über die Lippen, wenn wir in unseren Dreißigern sind. Und es ist viel Wahres dran, vor allem, wenn wir über unseren körperlichen Zustand sprechen.
In unserem Körper setzen nämlich ab 30 Umbauprozesse ein, durch die wir Muskelmasse verlieren und an Fettgewebe gewinnen. Wenn dieser Prozess startet, verlieren wir so ungefähr 0,3- 1,3 % Muskelmasse pro Jahr. Das klingt erst einmal nicht viel. Der Verlust steigert sich aber durch einen zunehmenden Effekt, sodass wir bis zu unserem 80. Lebensjahr bis zu 50 % unserer Muskelmasse verlieren können. Dadurch entsteht im Alter letztlich auch das erhöhte Sturzrisiko.
Aber bleiben wir erst einmal bei der Gruppe, die gerade ihre goldenen Zwanziger verabschiedet haben. Der langsame Muskelschwund macht sich dadurch bemerkbar, dass wir „Problemzonen“ an uns entdecken oder es an manchen Körperteilen zu zwicken beginnt. Wenn wir uns den Prozess vor Augen führen, ist das kein Wunder. Unsere Muskulatur beeinflusst maßgeblich unseren Stoffwechsel. Ein Kilogramm Muskelmasse erhöht unseren Grundumsatz (das, was wir an Kalorien in Ruhe verbrennen) um bis zu 100 Kilokalorien pro Tag. Ist man körperlich aktiv, wird dieser Effekt um ein mehrfaches gesteigert. Nehmen wir an Muskelmasse ab, sinkt also auch unsere Stoffwechselrate. Passen wir unseren Lebensstil nicht an, ist es also kein Wunder, dass die enge Jeans zwickt. Und auch die stabilisierende Wirkung, den unsere Muskulatur auf die Gelenke ausübt, verringert sich. Deshalb fangen in den Dreißigern dann auch die kleinen wiederkehrenden Wehwehchen an Knie, Rücken, Schulter und Co. an.
Der Super Bowl als Motivation
Keine Angst, wir müssen nicht alle an unserer Quarterback-Form arbeiten, um etwas gegen diesen Umbauprozess zu tun. Aber eine amerikanische Physio-Kollegin brachte die Lösung in ihrem X-Post zur diesjährigen Halbzeitshow von Usher auf den Punkt: Wenn wir alle Lieder mitsingen konnten und alle Gast-Acts kannten, sollten wir schleunigst die Hanteln in die Hände nehmen und trainieren.
Krafttraining ist nämlich der Schlüssel, um den oben beschriebenen Effekten entgegenzuwirken. Gerade uns Frauen fällt es manchmal schwer, mit Gewichten zu trainieren. Wir ziehen uns lieber in unsere Cardio-Komfortzone zurück. Manche haben auch Angst, durchs Krafttraining zu viel Masse zuzunehmen und dann irgendwie „bullig“ auszusehen. Krafttraining hat auch für manche Menschen eine starke Assoziation zum Bodybuilding und ist deshalb abschreckend. Das sind natürlich Vorurteile, die uns nicht davon abhalten sollten, Übungen zum Muskelaufbau in unser Training einzubauen. Wie bei allem kommt es auf die richtige Dosierung an.
Idealerweise sollten wir eine gesunde Mischung aus Cardio- und Krafttraining in unserem Training über 30 berücksichtigen. Dabei ist ein Krafttraining zweimal wöchentlich sinnvoll und ihr solltet auch „Power Übungen“ einbauen. Bei Power Übungen bewegen wir uns schnell und wenden dabei ein erhebliches Maß an Kraft auf. Klassische Beispiele sind Burpees, Sprünge auf eine Box oder das Werfen von Medizinbällen.
Das klingt jetzt alles super anstrengend und irgendwie abschreckend. Das Training selbst wird für euch körperlich auch anstrengend werden. Ihr dürft euch gerne auspowern. Aber solltet euch auf keinen Fall stressen.
Wie du dein Training anpassen kannst
Nennt ihr das Gym bereits euer zweites Wohnzimmer, werdet ihr vermutlich nur kleine Anpassungen in eurem Trainingsplan vornehmen müssen. Üblicherweise gehen die Anpassungen über eine Zunahme an Gewicht bei gleichzeitiger Reduzierung der Wiederholungen. Ein gutes Maß sind 10 Wiederholungen, die ihr mit dem entsprechenden Gewicht schafft, mit 3-4 Sätzen. Dies dient nur zur Orientierung, fragt für eure individuelle Anpassung aber am besten euren Trainer, mit dem ihr den Trainingsplan erstellt habt. Ihr wollt aus dem Kraftausdauerbereich in den Muskelaufbau. Zieht Übungen, die große Muskelgruppen beanspruchen, Übungen, die kleine Muskelgruppen ansprechen, vor (z.B. lieber Kreuzheben mit Gewichten statt Leg Curls am Gerät).
Wenn ihr euch jetzt fragt, was es mit den Sätzen und Muskelgruppen auf sich hat und Gerätetraining euch genauso fremd ist wie die neusten Geschmacksrichtungen von Proteinshakes, keine Sorge! Übungen mit dem eigenen Körpergewicht eignen sich auch hervorragend, um Muskulatur aufzubauen. Daneben können sie funktional ausgewählt werden, sodass sie genau die Schwachstellen ansprechen, die für euch individuell wichtig sind. Sie lassen sich einfacher in unseren Alltag integrieren bzw. ihr könnt ortsunabhängig trainieren. Falls ihr gerne Joggen geht, könntet ihr beispielsweise ein paar Ausfallschritte und Liegestütze an einer Bank auf dem Weg nach Hause einbauen.
Joggen, Fitnessstudio oder Home Workouts sind so gar nicht dein Ding? Auch gut, denn auch Spielsportarten, wie z.B. Fußball, Tennis oder Basketball eignen sich, um dich beim Erhalt deiner Muskelkraft zu unterstützen. Du kannst damit weniger gut ein bestimmtes Gelenk, was dir Probleme bereitet, stabilisieren. Dafür setzt du durch kurze Sprints, Würfe oder Schüsse automatische viele Reize, die in den Bereich „Power Training“ fallen. Es ist also eine super Idee, wenn ihr euch wie in den guten alten Zeiten mit euren Kollegen zum Feierabend-Kicken trefft oder mit euren Kindern am Wochenende Basketball spielt.
Und nicht zuletzt solltet ihr euren Alltag entsprechend aktiv gestalten. Die gute alte Treppe ist immer noch das perfekte Mini-Workout in unserem Alltag.
Je früher ihr damit anfangt, dem Umbauprozess entgegenzuwirken, desto besser ist es natürlich. Aber keine Panik, wenn ihr das ganze Thema bisher nicht auf dem Schirm hattet. Es gibt kein zu spät und es lohnt sich zu jeder Zeit, mit der Kräftigung eurer Muskulatur zu beginnen.
Solltet ihr euch wegen Schmerzen oder immer wieder kehrenden gesundheitlichen Problemen auf ein entsprechendes Training verzichten, wendet euch an entsprechende Mediziner, Therapeuten und Trainer. Die meisten Einschränkungen sind mit der richtigen Behandlung gut in den Griff zu bekommen. Das Training kann dann entsprechend angepasst und aufgebaut werden.
Dein Mindset für einen kleinen Lebenswandel
Auf gar keinen Fall solltest du jetzt in Panik verfallen oder dich stressen, weil deine Muskulatur etwas Unerwartetes macht. Wie gesagt, dieser Prozess ist ganz normal und Teil unseres Lebens.
Auch, dass sich mit der Zeit unsere Körperform etwas verändert, gehört zu den ganz normalen Dingen im Leben. Unser Lebensstil ändert sich zwangsläufig mit den Anforderungen unseres Alltags. Beruf, eventuell Kinder oder andere familiäre Verpflichtungen erfordern viel Energie und Zeit, in der wir uns nicht uns selbst widmen können.
Die Zeit, die wir für uns selbst haben, sollten wir deshalb bestmöglich nutzen. Aktiv zu sein und Sport zu treiben, ist eine gute Idee. Genauso wichtig sind aber auch andere Formen des mentalen Ausgleichs: Lesen, kreativ sein, ein gutes Gespräch führen, was auch immer sich gut anfühlt. Ihr solltet auf diese Dinge nicht verzichten, um irgendwie noch eine Sporteinheit mehr in euren Terminkalender reinzuquetschen. Es geht darum, eine gute Balance zu finden, damit ihr, wenn ihr trainiert, mit Spaß, Energie und eurem vollen Bewusstsein dabei sein könnt. Diese Art von Training bringt euch langfristig weiter, als auf ein Figurziel hinzuarbeiten.
Eure Trainingsziele sollten eher sein: immer wieder kehrende Schmerzen zu reduzieren, euch fit und energiegeladen für den Alltag zu fühlen, mentale Ausgeglichenheit zu erlangen, usw. Denn im Endeffekt trainieren wir alle für ein hoffentlich langes und glückliches Leben und nicht für eine Jeansgröße.
PMID: 15192443, 19204579, 28432116, 30498820