Warum Sport und Diät eine schlechte Kombination sein kann

Du findest in der Sweet Spot Philosophie die Begriffe gewichtsneutral und figurneutral. Diäten sind kein Bestandteil meines Coachings. Ich plädiere für eine ausgewogene, gesunde Ernährung, in der alle Nahrungsmittel ihre Berechtigung haben. Warum mir das wichtig ist, liegt unter anderem daran, dass gerade die Kombination aus Sport und einer Diät unsere Gesundheit massiv beeinträchtigen kann.

Und genau hier gibt es ein Problem. Unsere Gesellschaft ist der Meinung, dass es erstrebenswert ist durch Sport in Kombination mit einer kalorienreduzierten oder einseitigen Ernährungsweise schnellstmöglich Gewicht zu verlieren. Warum das keine gute Idee ist, erfahrt ihr in diesem Artikel.

Gewichtsstigmatisierung und Sport

In unserer Gesellschaft herrscht gegenüber mehrgewichtigen Menschen eine ablehnende Haltung. Sie werden stigmatisiert als faul, dumm, ungesund und vieles Negatives mehr. Das ist ein großes Problem und die Stigmata sind faktisch falsch. Nicht alle Menschen, die über dem normal-gewichtigen BMI liegen, sind krank. Es gibt viele Menschen, die eine mehrgewichtige Körperkonstitution zeigen und kerngesund sind. Und genauso gibt es viele Menschen mit einem durchschnittlichen Körpergewicht, die an denselben Erkrankungen leiden, die man mehrgewichtigen Menschen nachsagt. Beispielsweise Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Arthrose.

Natürlich gibt es auch Fälle, in denen das Körpergewicht direkt mit Gesundheitseinschränkungen zu tun hat. Aber auch da ist es wichtig, den kompletten Lebensstil zu betrachten und vielfältige Ansatzpunkte herauszuarbeiten, als das Problem alleine am Körpergewicht festzumachen.

Leider kommt es auch in der Medizin und im Gesundheitswesen zu Gewichtsstigmatisierung. Zugunsten der Gewichtsreduktion werden dann keine ganzheitlichen Maßnahmen in Betracht gezogen werden. Stattdessen wird einfach zu einer Diät, auch in Kombination mit Sport geraten.

Die Grundannahme, dass wir abnehmen, wenn wir uns lange genug in einem Kaloriendefizit befinden, ist richtig. Was jedoch geschieht, wenn der Körper endlich aus diesem Mangelzustand heraus geführt wird, kennen wir unter dem Begriff „Jo-Jo-Effekt“. Langfristig ist eine solche Diät nicht hilfreich und hat sogar mehr negative Auswirkungen als positive.

Über diese Problematik gibt es bereits etliche Bücher. Wer darüber mehr erfahren möchte, finden unter den Quellen noch weitere Literaturhinweise.

Was ist mit den Menschen, die eine durchschnittliche Figur bzw. ein durchschnittliches Körpergewicht haben und weniger von Gewichtsstigmatisierung betroffen sind? Auch diese erfahren einen ständigen Druck, in ihrem Raster zu bleiben und idealerweise ihren Körper noch näher an eine von der Gesellschaft idealisierte Norm zu bringen.

Dass sich unsere Konstitution zwangsläufig mit dem Alterungsprozess ändert, war bereits Thema in einem früheren Blogartikel. Auch schwere Krankheiten, Verletzungen oder Schwangerschaften haben Auswirkungen auf unseren Körper. Diese bringen uns von dieser gesellschaftlich definierten Norm ab und setzen uns unter Druck, schnellstmöglich wieder dort hin zurückzufinden.

Und wie sieht das im Sport aus? Hier gibt es noch strenger definierte Idealbilder. Je nach Sportart wird anhand von Spitzenleistungen und herausragenden Athleten definiert, wie Sportler in dieser Disziplin am besten auszusehen haben.

Fallen Athleten aus diesem Idealbild, wird das öffentlich kommentiert. Schlechte Ergebnisse werden sofort auf Figur, Gewicht oder Konstitution geschoben. Es gibt eine starke Gewichtsstigmatisierung im Sport. In unseren Köpfen kommt an, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen unserer Figur und der sportlichen Leistung gibt. Dadurch können in einem Sportler negative Glaubenssätze wie z.B., „wenn ich zu viel esse, werde ich dick und werde im Tennis verlieren“ entstehen. Folgt daraus eine Diät mit einer gleichzeitigen Steigerung des Trainings, kann das schnell gefährlich werden.

Relative Energy Deficiency in Sports (RED-S)

Was kann passieren, wenn wir unsere Kalorienzufuhr beschränken und gleichzeitig unser Training steigern, um unser Körpergewicht zu senken?

Die Wissenschaft beschreibt daraus resultierende weitreichende negative Effekte unter den beiden Begriffen „Low Energy Availability“ (LEA, niedrige Energieverfügbarkeit) und „Relative Energy Deficiency in Sports“ (RED-S, Relatives Energiedefizit im Sport).

Der Begriff „Energie“ bezieht sich auf die Energie, die wir durch die Nahrung aufnehmen. Praktisch entsteht ein Energiedefizit z.B. durch den Verzicht auf Kohlehydrate, eine starke Kalorienrestriktion oder einer extrem fettarmen Ernährung.

Ein RED-S ist eine Vielzahl von körperlichen und mentalen Krankheitszeichen aufgrund einer dauerhaft niedrigen Energieverfügbarkeit und kann sich wie folgt auswirken:

  • Schäden am Bewegungsapparat wie Sehnenentzündungen, Sehnenrupturen, Stressfrakturen
  • Abnahme der Knochendichten (Osteoporose)
  • Beeinträchtigung der Herz-Kreislauf-Funktion, wie plötzliche Blutdruckschwankungen, erhöhter Puls oder deutlich verminderter Maximalpuls, vermehrte Extrasystolen („Herzstolpern“)
  • Probleme mit dem Magen-Darm-Trakt, wie Magenschmerzen, Diarrhoe, Obstipation
  • Schlafstörungen
  • Schwächung des Immunsystems, wodurch es zu Infektanfälligkeit oder übermäßig lange Heilungsdauer von Infekten kommt
  • Übermäßig lange Rehabilitationsdauer von Verletzungen
  • Ausbleibende Menstruation oder Veränderungen im weiblichen Zyklus
  • Libidoverlust
  • Mentale Probleme wie Antriebslosigkeit, Unruhe, fehlende Konzentrationsfähigkeit bis hin zu Essstörungen, Depression und psychosomatischen Störungen
  • Allgemein reduzierte Leistungsfähigkeit
  • bei Jugendlichen eine verzögerte Pubertät

Diese Probleme können erst gelöst werden, wenn die körperliche Belastung reduziert und mit einer ausgewogenen Ernährung das Energiedefizit ausgeglichen wird. Was ein langwieriger Prozess werden kann.

Folgende Faktoren können zusätzlich zur oben beschriebenen Gewichtsstigmatisierung zu einem ein RED-S führen:

  • Ein geringes Selbstwertgefühl
  • Eine verzerrte Wahrnehmung unseres Körperbildes
  • (Übermäßiges) Überprüfen der Körperkomposition (Gewicht, Umfänge, Fettanteil, Muskelanteil usw.)
  • Soziale Isolation
  • Sichtbarmachen von Ergebnissen (z.B. „Vorher-Nachher-Vergleich“ auf Social Media)
  • Leistungsdruck ausgehend von Trainern, in Mannschaften oder von Eltern
  • Perfektionismus
  • Gewichtsveränderungen rund um Verletzungen oder Krankheiten, auch um Schwangerschaften

Es ist wichtig, dass jeder Akteur im Sport (auch im Breitensport!), jeder Sportler und auch die Eltern von sportlich aktiven Kindern RED-S kennen. Die Auswirkung auf die Gesundheit kann massiv sein und eine medizinische Betreuung ist oft notwendig.

Physiotherapeuten und Trainer können helfen, die Trainingsbelastung entsprechend anzupassen. Ernährungsspezialisten können beraten, wie der Energiemangel am schnellsten ausgeglichen werden kann. In einigen Fällen ist auch eine unterstützende psychologische Beratung sinnvoll.

Was Sweet Spot für dich tut

Am Beispiel von RED-S wird meiner Meinung nach deutlich, in welcher Verantwortung sich Physiotherapeuten, Coaches und Trainer befinden. Unsere Trainingsansätze sollten immer die Förderung eines gesunden Lebensstils im Blick haben, statt vermeintlich schnell sichtbare „Erfolge“ durch Gewichtsverlust.

Im Sweet Spot Training wird es nie darum gehen, ein gewisses Körpergewicht zu erreichen oder die Figur zu formen. Es geht darum, einen gesunden Zugang zu Sport und Bewegung zu finden und langfristig mit Freude aktiv bleiben zu können.

Vielleicht verändert sich das Körpergewicht und die Figur, wenn du aktiver wirst oder dein Training anpasst. Es ist auch möglich, dass du dich mit der Zeit schlanker fühlst oder deine Kleidung etwas weiter wird. Durch die Zunahme an Muskulatur kann es allerdings auch passieren, dass dir Kleidungsstücke nicht mehr passen oder du an Gewicht auf der Waage zunimmst, obwohl sich der Körperfettanteil reduziert. Das darf alles sein. Teil des Coachings ist, dass du diese Effekte richtig einordnen lernst. Du darfst dich in deinem Körper jederzeit wohlfühlen, egal an welchem Punkt deiner sportlichen Reise du gerade stehst.

In diesem Blog wirst du also immer eine Heimat finden, wenn du an dir wegen deiner Figur zweifelst, das Gefühl hast, durch dein Körpergewicht unter Druck zu stehen oder dich einfach noch einmal darauf besinnen möchtest, worauf es beim Thema Gesundheit und Wohlergehen wirklich ankommt.

Und zum Thema Sport und Ernährung gilt im Zweifelsfall das Motto „Ohne Mampf kein Kampf!“. Bist du aktiv, brauchst du mehr Energie. Und die darfst du dir mit viel Genuss und Freude aus einer ausgewogenen Ernährung holen.

Quellen zum RED-S und LEA:

PMID: 37752004, 30632422, 29757049, 30040508, 28983802

Quellen und Literatur zum Thema Gesundheit und Gewicht

PMID: 23144885, 29225670, 30107800

Gesundheit kennt kein Gewicht. Das Anti-Diät-Buch, Petra Schleifer & Antonie Post, südwest

Intuitive Eating – A Revolutionary Anti-Diet Approach, Evelyn Tribole & Elyse Resch, St. Martins Essentials

Anti Diet – Reclaim your Time, Money, Well-being and Happiness through Intuitive Eating, Christy Harrison, Yellow Kite